Das Leben beginnt mit einer Zelle,
die sich mit ihrer Membrane von der Umgebung abgrenzt,
und entwickelt sich zu einem Zellverband.
Die Abgrenzung ist auch schon das Problem des Lebens:
es weiß nichts von seiner Umgebung.
Die eigenen Informationen sind mit den Genen im Zellkern gespeichert.
Sie sind Grundlage aller Aktionen
zur Aufrechterhaltung und Vervielfältigung des Organismus.
Und solange das Erbgut brauchbar und die Umgebung stabil ist,
wird es der jeweiligen Lebensform gelingen, sich zu behaupten.
Die Eingeschlossenheit in einer Zelle gilt auch für alles Wissen.
Insbesondere Leibniz hatte das Individuum daher als "Monade",
d.h. als eine in sich geschlossene Ureinheit verstanden.
Den biologischen Begriff der Zelle als Ureinheit gab es noch nicht.
Wie die Zelle weiß auch die Monade primär nichts von ihrer Umgebung.
Doch sie hat Fenster: die Sinnesorgane.
Durch sie trägt sie ihr nützliche Hypothesen an die Umgebung heran,
das heißt, sie verleiht den hereinströmenden Sinnesdaten Bedeutungen:
zum Beispiel "Beute", "Feind", "Freund" oder "Sexualpartner".
Und soweit sich die Bedeutungen bewähren,
hält sie sie für "wahr".
Wahr ist ihr, was sich bewährt.
Um nun aber nicht in einem Chaos von Hypothesen und Wahrheiten zu versinken,
wird von Menschen das Bewährte miteinander verglichen und geordnet.
Das nennt man "denken".
Besonders kühne Denker versuchen unter einer Idee
eine in sich schlüssige Theorie über die Welt zu entwickeln.
Doch auch Theorien sind nur insofern wahr, wie sie sich bewähren.
Das ist für den Verstand sehr unbefriedigend,
der doch zu gern Gewissheit in Form absoluter Wahrheiten hätte.
Aber es ist eben Weisheit zu erkennen,
dass es keine absoluten sondern "nur" bewährte Wahrheiten gibt,
die vor dem Hintergrund des Wissens plausibel sind,
wird doch niemand ein Urteil über etwas für "wahr" halten können,
von dem er kein Wissen hat - oder zu haben vermeint.
Und Weisheit ist es eben auch, sein Unwissen auszuhalten,
stellt doch die Vernunft mehr Fragen, als sie ihrer Natur nach beantworten kann. (Kant)
Ein Ausweg für Suchende scheinen da "offenbarte" Wahrheiten zu sein,
wozu man aber zuerst entweder an eine überirdische Intelligenz (Gott)
oder an einen der eigenen Intelligenz überlegenen "Meister" glauben muss.
Aber auf Dauer werden offenbarte Wahrheiten auch nur dann geglaubt,
soweit sie für die Lebensführung und das seelische Wohlbefinden hilfreich sind.
Auch wenn das Leben und so auch der Mensch nur ein Produkt des Zufalls wäre,
wie Jaques Monod in "Zufall und Notwendigkeit" aufzeigt,
so ist er trotzdem ein Teil des Ganzen.
Ich sage: er ist die Stimme des Ganzen,
das sich zu artikulieren versucht.
Ein allwissender Gott ist dabei das Ideal,
das am Horizont des Sagbaren aufscheint.
Vom "Jenseits" der Erfahrung,
oder über das "transzendente Sein", wie die Philosophen sagen,
kann Beliebiges geglaubt werden, was wir nicht zu ernst nehmen sollten.
"Glauben" sollte heißen, mit "Als-ob-Wahrheiten" leben zu können,
ohne sie jemand anderen aufdrängen zu wollen.
Wegen Glaubensinhalte Schädel einschlagen sollten wir schon gar nicht.
Das würde nur beweisen, dass es an vernünftigen Argumenten fehlt.
Besser ist es da, auf die Wahrheiten des Herzens und des Lebens zu hören,
denn sie sind der Spiegel einer langen Erfahrung.
"Wer das Leben nicht ernst nimmt,
dem wird es seinen furchtbaren Ernst zeigen." (Laotse)