Physiker sagen heute so salopp, Raum und Zeit wären beim Urknall "entstanden",
als handle es sich um materielle Dinge wie Teilchen oder Strahlung.
Richtig ist, dass komplexe Lebewesen ein raumzeitliches Erleben haben,
welches jedoch erst durch die Art der Wahrnehmung und ihrer Verarbeitung entsteht:
Die "flachen" aber leicht verschiedenen Wahrnehmungen der zwei Augen bzw. Ohren
werden durch das Gehirn so zu einem einzigen Bild bzw. Hörbild verarbeitet,
dass sich ein räumlicher EINDRUCK ergibt.
Auch die zwei Hände können eine räumliche Wahrnehmung vermitteln
und so ggf. Stereosehen und -hören unterstützen.
Und alles Gehen ist die Bewältigung und das Erleben von "Raum",
wenn sich nichts der Fortbewegung in den Weg stellt.
Ferner hat die Einheit des Augenblicks eine gewisse Dauer, bis zu ca. 3 Sekunden,
in der Eindrücke gesammelt, überlappt und dabei zu einem einzigen Eindruck verbunden werden,
der uns dann schnelle Veränderungen als "Bewegung" signalisiert.
Auf diese Weise haben wir ein einheitliches raumzeitliches Erleben,
darauf abgestimmt, ein Überleben unter Bedrohung zu ermöglichen.
Doch sind wir deshalb berechtigt zu sagen, dass Raum und Zeit real sind,
oder dass es gar eine Raumzeit gibt?
Haben wir denn nicht gerade erst bemerkt, was das Gehirn alles leisten muss,
um den raumzeitlichen Eindruck überhaupt erzeugen zu können?
Und ohne die automatische Vergleichung nacheinander eintreffender Daten
wüssten wir nichts von Zeit und Bewegung,
hätten wir keine Wahrnehmung von Wörtern, Sätzen und Melodien,
weil alle Bilder, Laute und Zeichen nur unverbunden nacheinander registriert werden würden.
Erst die kontinuierliche Verbindung von Wahrnehmungen im Gedächtnis
schafft jene Welt, die wir kennen und in der wir uns orientieren
und die unser Menschsein ausmacht.
Sie ist also ein Konstrukt des Gehirns!
Die Entstehung raumzeitlichen Erlebens im Kopf können wir überprüfen.
Hirnforschern haben es ausgiebig untersucht und gemessen.
Und Schädigungen des Hirns zeigen dabei,
wie abhängig unsere Eindrücke von einzelnen Hirnregionen sind!
Daher halte ich die Realitätsbehauptung einer Raumzeit für Metaphysik -
jenseits der Erfahrung liegend, die zwar hinterfragbar,
aber nicht hintergehbar ist.
Die Realität ist transzendent.
Die genannten Mechanismen der Wahrnehmung machen Techniker sich zu nutze,
indem sie durch den schnellen Wechsel von Standbildern
- es gibt keine anderen! -
BEIM ZUSCHAUER einen Bewegungseindruck ERZEUGEN,
der Grundlage von Film und Fernsehen ist,
wobei die einzige echte Bewegung in der ganzen Vorführung, der Bildwechsel,
gerade so gehalten wird, dass er NICHT wahrgenommen werden kann.
Oder indem sie zweidimensionale Bilder so gestalten,
dass im Gehirn ein dreidimensionaler Eindruck ENTSTEHEN kann.
Diese Techniken widerlegen ebenfalls die naive Behauptung,
dass die Wahrnehmung ein bloßer Spiegel der Außenwelt sei
und nicht, wie beim Farbensehen, ein Konstrukt des Gehirns.
Das Gehirn hat in der Evolution gelernt weise zu sein,
das heißt mit seinem Nichtwissen in zweckmäßiger Weise umgehen zu können.
Doch viele von uns haben noch nicht gelernt, seine Weisheit zu erkennen
und reden töricht so daher, als brauchten und gebrauchten sie kein Gehirn.
Daher ist die Philosophie als "Liebe zur Weisheit" aufgefordert, sie zu vermitteln.
Denn wer sein Verstehen nicht versteht, versteht letztlich gar nichts.